Ich war kürzlich ein paar Tage in den Niederlanden. Ein wunderschönes Land! Aber während wir durch die Straßen schlenderten, fiel mir als etwas Seltsames auf:
Es gibt fast keine Bankfilialen.
Keine Sparkasse an jeder Ecke, keine Volksbank, keine Commerzbank. Und noch etwas: Es gibt auch kaum Handyshops. Während bei uns in Deutschland in einer typischen Fußgängerzone Telekom, Vodafone, O2 und diverse freie Händler um die Wette leuchten, herrscht in den Niederlanden… Leere.
Natürlich gibt es sie, aber im Vergleich zu Deutschland ist die Dichte verschwindend gering. Mein erster Gedanke war: „Wie machen die das?“
Diese Frage hat mich nicht mehr losgelassen. Ich habe recherchiert, was dahintersteckt, und spannende Erkenntnisse gehabt. Es geht um Kosten, Transparenz und die Frage: Was ist uns Beratung wirklich wert?
In diesem Artikel zeige ich euch, warum die Niederlande einen so anderen Weg gehen, was das mit den (versteckten) Kosten eurer Finanzberatung in Deutschland zu tun hat und welche zwei konkreten Wege ihr habt, um selbst klügere und oft günstigere Finanzentscheidungen zu treffen.
Das deutsche Modell: Die Illusion der „kostenlosen“ Beratung
Um zu verstehen, warum die Niederlande anders sind, müssen wir erst mal auf unser eigenes System schauen.
Wenn ihr in Deutschland eine Finanzierung für euer Haus braucht, eine Versicherung abschließen oder einen Fondssparplan einrichten wollt – was macht ihr? Viele gehen den traditionellen Weg: zur Hausbank.
Ihr setzt euch in die Filiale der Sparkasse oder Volksbank, bekommt einen Kaffee und sprecht mit einem „Berater“. Der Berater ist freundlich, analysiert eure Situation und empfiehlt euch am Ende… (Überraschung!) … Produkte der Sparkasse, der Deka, der LBS oder der Provinzial.
Für diese Beratung zahlt ihr: Nichts. Zumindest nicht direkt.
Das Gleiche gilt für Versicherungen. Ihr geht zum Vertreter der Allianz, Ergo oder HUK. Er prüft eure Verträge, empfiehlt euch eine neue Haftpflicht, eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) oder eine Riester-Rente. Ihr unterschreibt. Kosten für die Beratung? Null.
Auch im Handyshop: „Ich brauche ein neues Smartphone.“ Der Verkäufer empfiehlt euch einen „günstigen“ Vertrag, bei dem ihr das iPhone für 1 € bekommt. Die Beratung war „gratis“.
Die Wahrheit hinter „Gratis“: Die Provision
Wir alle wissen: Niemand arbeitet umsonst.
Das deutsche System basiert fast ausschließlich auf Provisionen (auch Courtage genannt).
- Der Bankberater: Er ist kein unabhängiger Berater, sondern ein Bankangestellter. Sein Job ist es, die Produkte seines Arbeitgebers zu verkaufen. Für jeden Abschluss (Bausparvertrag, Fonds, Kredit) erhält die Bank eine Provision oder verdient an den Margen. Das Gehalt des Beraters hängt oft auch von diesen Verkaufserfolgen ab.
- Der Versicherungsvertreter: Er (oder sie) ist rechtlich ein „Ausschließlichkeitsvertreter“. Er vertritt nur die Interessen seiner einen Gesellschaft (z.B. Allianz). Er kann euch gar nichts anderes anbieten. Für den Abschluss erhält er eine hohe Abschlussprovision, die direkt in die Kosten eures Vertrags eingerechnet ist.
- Der Handyshop: Der Verkäufer erhält eine Provision vom Netzanbieter (Telekom, Vodafone etc.) für den Abschluss des 24-Monats-Vertrags. Das „günstige“ Handy ist einfach nur die Verrechnung dieser Provision.
Das Problem daran ist der massive Interessenkonflikt.
Ein Berater, der per Provision bezahlt wird, hat einen Anreiz, euch nicht unbedingt das beste Produkt für euch zu empfehlen, sondern vielleicht das Produkt, das ihm oder seiner Bank die höchste Provision bringt.
Dieses System ist der Grund, warum unsere Innenstädte voll von Filialen sind. Jede Bank, jede Versicherung, jeder Telekom-Anbieter unterhält ein teures Filialnetz, um seine provisionsbasierten Produkte an die Kunden zu bringen. Die Kosten für diese Paläste (Miete, Personal, Marketing) zahlen wir alle über die Gebühren und die eingerechneten Provisionen unserer Verträge.
Der niederländische Weg: Radikale Transparenz und Digitalisierung
Und jetzt schauen wir über die Grenze. Die Niederlande haben dieses System radikal geändert.
Das Provisionsverbot (De „Provisieverbod“)
Der größte Knall kam 2013. Die Niederlande haben ein striktes Provisionsverbot für komplexe Finanz- und Versicherungsprodukte eingeführt.
Das bedeutet: Banken, Versicherer und Berater dürfen für den Abschluss von Hypotheken, Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen oder komplexen Geldanlagen keine Provisionen mehr vom Produktanbieter (der Bank oder Versicherung) annehmen.
Was passiert, wenn die Provision wegfällt? Der Berater muss sein Geld ja trotzdem verdienen.
Die Lösung: Der Kunde muss die Beratung direkt bezahlen.
Wenn eine niederländische Familie eine Baufinanzierung (Hypothek) möchte, geht sie zu einem Berater (einem „Hypotheekadviseur“, oft ein Makler). Dieser analysiert die Lage, vergleicht Dutzende Anbieter am Markt und findet das beste Angebot. Am Ende stellt er der Familie eine Rechnung.
Diese Rechnung ist transparent und beträgt je nach Aufwand zwischen 1.500 € und 3.000 €.
Die Konsequenzen: Shop-Sterben und Digitalisierung
Dieser Schritt hat alles verändert.
Erstens: Die Kunden wurden extrem preissensibel. Wenn du 2.000 € für eine Beratung auf den Tisch legen musst, überlegst du dir zweimal, ob du sie brauchst.
Zweitens: Das Filialsterben. Wozu brauche ich eine teure Bankfiliale in der Innenstadt, wenn ich für die Beratung dort direkt bezahlen muss UND der Berater mir dann (wie in Deutschland) sowieso nur die Produkte der eigenen Bank anbietet? Das ist ein schlechter Deal.
Wenn ich schon bezahle, will ich unabhängige Beratung. Also gehe ich lieber gleich zu einem unabhängigen Makler, der 30 Banken vergleicht. Die traditionellen Bankfilialen, die vom Provisionsverkauf lebten, wurden unrentabel und schlossen.
Drittens: Ein massiver Digitalisierungsschub. Weil die Beratung teuer ist, versuchen die Niederländer, so viel wie möglich selbst zu machen („DIY“).
- Zahlungsverkehr: Die Niederlande sind fast bargeldlos. Nahezu alles läuft über „iDEAL“, ein extrem effizientes Online-Bezahlsystem der Banken. Es ist schneller und günstiger als PayPal oder Kreditkarten.
- Geldautomaten: Die Banken (ING, ABN AMRO, Rabobank) haben ihre eigenen Geldautomaten größtenteils abgeschafft. Stattdessen gibt es einen gemeinsamen Betreiber: „Geldmaat“. Diese gelben Automaten stehen überall (oft in Supermärkten) und werden von allen Banken gemeinsam genutzt. Das spart massive Kosten.
- Handyshops: Ähnliches Prinzip. Die Niederländer sind Meister im „SIM-Only“-Vertrag. Sie kaufen ihre Handys oft separat (online oder im Elektromarkt) und buchen sich den günstigsten monatlich kündbaren Tarif dazu. Wozu brauche ich einen teuren Laden in der Innenstadt, der mir „Beratung“ (Provision) für einen 24-Monats-Vertrag andreht, wenn ich den besten Deal in 5 Minuten online finde?
Das Ergebnis: Die Innenstädte haben weniger Banken und Handyshops, weil die Produkte transparent gemacht wurden und die (ehemals versteckten) Kosten der Beratung nun sichtbar sind.
Was kostet Beratung wirklich? Ein Vergleich
Machen wir ein konkretes Beispiel, das viele Familien betrifft: Die Baufinanzierung.
Angenommen, ihr wollt ein Haus für 400.000 € kaufen und braucht ein Darlehen.
Szenario 1: Familie Schmidt in Deutschland
- Familie Schmidt geht zu ihrer Hausbank (z.B. Sparkasse).
- Der Berater macht eine tolle Beratung, rechnet alles durch. Das Angebot: 3,8 % Zinsen p.a.
- Die Beratung war „kostenlos“.
- Die Schmidts unterschreiben. Sie wissen nicht, dass die Bank an diesem Kredit über die Jahre eine Marge verdient (die „eingebackene Provision“). Sie wissen auch nicht, ob eine andere Bank vielleicht 3,6 % geboten hätte. Aber die Beratung war ja so nett und umsonst.
Szenario 2: Familie van Dijk in den Niederlanden
- Familie van Dijk geht zu einem unabhängigen Finanzierungsmakler.
- Der Berater sagt: „Meine Beratung kostet 2.500 €.“
- Die van Dijks schlucken kurz, aber beauftragen ihn.
- Der Makler scannt den gesamten Markt (30+ Banken). Er findet einen Anbieter, der 3,6 % Zinsen bietet.
- Die Beratung kostet 2.500 €.
Der Unterschied
Der Unterschied zwischen 3,8 % und 3,6 % klingt mickrig. Aber bei 400.000 € Darlehen und 10 Jahren Zinsbindung?
- Deutschland (3,8 %): Zinskosten in 10 Jahren: ca. 142.000 € (vereinfacht gerechnet)
- Niederlande (3,6 %): Zinskosten in 10 Jahren: ca. 134.000 €
Die „kostenlose“ Beratung in Deutschland hat Familie Schmidt 8.000 € mehr gekostet als die 2.500-€-Honorarberatung in den Niederlanden.
Die Niederländer haben gelernt: Transparente Kosten sind fast immer günstiger als versteckte Kosten. Sie bezahlen lieber einmalig 2.500 € und sparen 8.000 €, als dass sie „gratis“ beraten werden und 8.000 € zu viel bezahlen.
Ist das niederländische Modell „besser“?
Ich persönlich bin ein großer Fan von Transparenz. Das Provisionsverbot hat die Machtverhältnisse zugunsten der Verbraucher verschoben.
Aber das Modell hat auch Nachteile, die man fairerweise nennen muss.
Der Vorteil (Pro):
- Keine Interessenkonflikte: Der Berater arbeitet für dich, nicht für die Bank.
- Bessere Produkte: Der Berater sucht das beste Angebot am Markt.
- Kostenbewusstsein: Die Menschen lernen den Wert von guter Beratung zu schätzen (und wann man sie nicht braucht).
Der Nachteil (Contra):
- Die „Beratungslücke“: Was ist mit der Familie, die keine 2.500 € auf der hohen Kante hat? Oder jemand, der nur eine kleine BU-Versicherung (Berufsunfähigkeit) braucht und die Beratungsgebühr (vielleicht 500 €) scheut?
- Risiko der „Selbstüberschätzung“: Viele Menschen meiden die Kosten, versuchen alles selbst zu machen (DIY) und schließen dann online aus Unwissenheit vielleicht den falschen Vertrag ab.
In den Niederlanden hat sich gezeigt, dass viele Menschen (vor allem Jüngere) bei einfachen Produkten (Autoversicherung, Haftpflicht) voll auf Vergleichsportale setzen und bei komplexen Dingen (Hauskauf, Altersvorsorge) zähneknirschend die Honorarberatung zahlen.
In Deutschland hingegen wiegen wir uns in einer falschen Sicherheit. Wir denken, wir bekämen flächendeckend „Gratis-Beratung“, bekommen aber in Wahrheit oft nur „Gratis-Verkauf“.
So geht ihr in Deutschland schlau vor
Wir müssen nicht auf ein Provisionsverbot in Deutschland warten (das wird so schnell nicht kommen). Ihr könnt euch das Beste aus beiden Welten schon heute sichern.
Ihr habt als Verbraucher in Deutschland zwei sehr gute Wege, um dem Provisionsdschungel zu entkommen – je nachdem, wie komplex das Thema ist.
Option 1: Der DIY-Weg (für Standard-Produkte)
Für viele Dinge braucht ihr keinen teuren Berater und auch keine Filiale. Bei Produkten, die klar standardisiert sind, fahrt ihr mit dem Selbstvergleich am besten und günstigsten.
Dazu gehören:
- Girokonto
- Tagesgeld / Festgeld
- Strom- und Gasanbieter
- Handyverträge
- Private Haftpflichtversicherung
- Hausratversicherung
- KFZ-Versicherung
Hier sind die Leistungen sehr ähnlich und es geht primär um den Preis. Ein Bankberater, der euch ein „kostenloses“ Girokonto andreht, verschweigt vielleicht, dass ihr dafür 5 € pro Überweisung zahlt (überspitzt gesagt).
Was ihr tun müsst: Nutzt unabhängige Vergleichsrechner. Sie scannen den Markt und listen die Angebote transparent auf.
Transparenz-Hinweis & Dein Vorteil: Auf finanz-papa.de nutze ich Partner-Links zu Vergleichsrechnern Wenn ihr über diese Links einen Vertrag vergleicht und abschließt, bekomme ich eine kleine Provision.
Wichtig: Für euch ändert sich der Preis dadurch nicht. Ihr bezahlt keinen Cent mehr. Diese Provisionen helfen mir, diesen Blog zu betreiben und euch alle Inhalte kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es ist quasi die „deutsche“ Art, wie ihr meine Arbeit hier unterstützen könnt, während ihr gleichzeitig Geld spart.
Option 2: Der Makler-Weg (für komplexe Produkte)
Es gibt Themen, die solltet ihr niemals alleine oder über einen schnellen Online-Vergleich machen. Dazu gehört alles, was eure Existenz absichert oder eure langfristige Zukunft plant.
Dazu gehören:
- Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)
- Baufinanzierung
- Altersvorsorge (z.B. ETF-Strategien, Rürup etc.)
- Risikolebensversicherung (wichtig für Familien!)
Hier machen Laien oft Fehler bei den Gesundheitsfragen oder in den Vertragsbedingungen, die sie im Ernstfall Hunderttausende Euro kosten können.
Aber bitte geht dafür NICHT zum „Berater“ eurer Bank oder zum Vertreter (z.B. der Allianz).
Ihr braucht einen UNABHÄNGIGEN VERSICHERUNGSMAKLER.
Das ist der entscheidende Unterschied:
- Ein Vertreter (Bank, Allianz, Ergo) ist rechtlich auf der Seite der Versicherung. Er verkauft euch, was sein Arbeitgeber vorgibt.
- Ein Makler ist rechtlich auf eurer Seite. Er ist euer „Sachwalter“ (so urteilte der BGH). Er muss in eurem Interesse handeln und den Markt für euch vergleichen.
Ein guter Makler ist quasi die deutsche Version des niederländischen Honorarberaters – mit dem Unterschied, dass der Makler in Deutschland (noch) per Provision von der Gesellschaft bezahlt wird, die ihr am Ende auswählt. Für euch fühlt es sich also „kostenlos“ an, ihr bekommt aber trotzdem (meistens) eine unabhängige Marktübersicht.
(Alternativ gibt es auch in Deutschland „echte“ Honorarberater, die ihr wie in den Niederlanden per Rechnung bezahlt. Sie sind aber noch selten und meist auf sehr vermögende Kunden spezialisiert).
Fazit: Werdet ein bisschen „holländischer“
Die leeren Ladenlokale in den Niederlanden sind kein Zeichen von Wirtschaftskrise – sie sind ein Zeichen von radikaler Transparenz und Effizienz.
Die Niederländer haben verstanden, dass „kostenlose“ Beratung eine teure Illusion ist. Sie zahlen lieber offen für gute, unabhängige Beratung oder machen es bei einfachen Dingen direkt selbst online.
Was wir als deutsche Familien davon lernen können?
Misstraut allem, was „kostenlos“ ist.
Wenn euch jemand in einer Bankfiliale oder einem Handyshop „kostenlos“ berät, fragt euch immer: „Womit verdient diese Person gerade ihr Geld?“ Meistens ist es eine Provision, die in eurem Vertrag versteckt ist.
Seid schlau:
- Für Standard-Sachen (Strom, KFZ, Konto): Nutzt die Vergleichsrechner.
- Für Existenz-Themen (BU, Haus, Vorsorge): Geht zu einem unabhängigen Makler.
Wenn wir anfangen, die Kosten hinter den Produkten zu sehen, so wie es die Niederländer tun, treffen wir automatisch bessere Finanzentscheidungen für unsere Familien.
Wie seht ihr das? Findet ihr das deutsche System mit den vielen Filialen gut, weil es bequem ist? Oder würdet ihr lieber, wie in den Niederlanden, offen für eine Beratung bezahlen, wenn sie dafür garantiert unabhängig ist?
Schreibt es mir in die Kommentare!
